Fuss an Fuss. Schuh an Schuh. Ein Gehen und ein Kommen. Einzeln und in
Gruppen. Immerzu und immerfort, dreizehn Minuten lang: Bilder von Füssen, ein
Ornament von Schuhen.
Um eine Parade von Schuhen kann es im Video „Louvre“ nicht gehen. Das wird bald
einmal klar. Der Titel sagt es: Es geht um Bilder. Denn die Füsse, die Greber – sein
Blick hat im positiven Sinne durchaus etwas Obsessives – ins Bild rückt, haben mit
dem Blick zu tun, mit dem Blick auf die Kunst. Und damit mit dem Blick auf die Welt
und deren Wahrnehmung.
Im Verlauf eines Studienaufenthalts in Paris nahm Andreas Greber immer wieder
die Besucher und Besucherinnen auf, die täglich zu Tausenden in das Museum
gehen. Er entwickelte daraus eine Komposition, eine Sonatine oder einen verlangsamten
Rap der Museumsschritte, der Füsse, die im Museum den Blick von
Bild zu Bild tragen. Während Thomas Struth in einer wunderschönen Bildsequenz
das Sehen der Bilder in Museen ins Blickfeld rückte – da das Publikum, dort die
Bilder –, lässt Andreas Greber die Bilder fast ganz weg. Sie sind anwesend
höchstens dadurch, dass die Füsse den Bildern zustreben und vor ihnen stehen
bleiben. Die Bilder sind aber auch anwesend deswegen, weil die Füsse zeigen, wie
wenig in einem Museum die Bilder das Zentrum sind, sondern das Museum als
Museum.
Die Spannung, die Mona Lisa von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Ungeduld.
Dann die Füsse, die in den Sälen und unendlichen Gängen den weltberühmten
Gemälden und Skulpturen entgegenstreben. Sie wirbeln Staub auf, der sich im
blauen Licht verliert. Dann wieder die Füsse. Das kurze Hinblicken, das Weitergehen
wird sichtbar. Man sieht den Füssen an, wie die Augen schauen. Eine
Statistik besagt, dass der durchschnittliche Besucher in einem Museum
neunzehn Sekunden vor einem Bild stehen bleibt, um dann gleich weiter zu
gehen.
Das Aufnahmeverfahren von Andreas Greber ist von detektivischem Spürsinn
bestimmt: Sich unter die Menschenmassen mischend legte er die Videokamera in
den Sälen und Gängen direkt auf den Boden. Bis zu drei Zentimeter nahe kommen
die Füsse der Kamera, die alle Bewegungen registriert. So schafft er es, im
wortwörtlichen Sinn einen Blick von unten auf den Museumsbetrieb zu werfen –
und damit auch darauf, wie flüchtig der Blick auf die Welt im Normalfall ist.
Das stetige Eilen vor den Bildern im Louvre wird zum Verweilen vor den Bildern
in „Louvre“.
Bern, 2004