Louvre

Video, Paris 2004

Text
Close

Louvre

Konrad Tobler

Fuss an Fuss. Schuh an Schuh. Ein Gehen und ein Kommen. Einzeln und in
Gruppen. Immerzu und immerfort, dreizehn Minuten lang: Bilder von Füssen, ein
Ornament von Schuhen.
Um eine Parade von Schuhen kann es im Video „Louvre“ nicht gehen. Das wird bald
einmal klar. Der Titel sagt es: Es geht um Bilder. Denn die Füsse, die Greber – sein
Blick hat im positiven Sinne durchaus etwas Obsessives – ins Bild rückt, haben mit
dem Blick zu tun, mit dem Blick auf die Kunst. Und damit mit dem Blick auf die Welt
und deren Wahrnehmung.
Im Verlauf eines Studienaufenthalts in Paris nahm Andreas Greber immer wieder
die Besucher und Besucherinnen auf, die täglich zu Tausenden in das Museum
gehen. Er entwickelte daraus eine Komposition, eine Sonatine oder einen verlangsamten
Rap der Museumsschritte, der Füsse, die im Museum den Blick von
Bild zu Bild tragen. Während Thomas Struth in einer wunderschönen Bildsequenz
das Sehen der Bilder in Museen ins Blickfeld rückte – da das Publikum, dort die
Bilder –, lässt Andreas Greber die Bilder fast ganz weg. Sie sind anwesend
höchstens dadurch, dass die Füsse den Bildern zustreben und vor ihnen stehen
bleiben. Die Bilder sind aber auch anwesend deswegen, weil die Füsse zeigen, wie
wenig in einem Museum die Bilder das Zentrum sind, sondern das Museum als
Museum.
Die Spannung, die Mona Lisa von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Ungeduld.
Dann die Füsse, die in den Sälen und unendlichen Gängen den weltberühmten
Gemälden und Skulpturen entgegenstreben. Sie wirbeln Staub auf, der sich im
blauen Licht verliert. Dann wieder die Füsse. Das kurze Hinblicken, das Weitergehen
wird sichtbar. Man sieht den Füssen an, wie die Augen schauen. Eine
Statistik besagt, dass der durchschnittliche Besucher in einem Museum
neunzehn Sekunden vor einem Bild stehen bleibt, um dann gleich weiter zu
gehen.
Das Aufnahmeverfahren von Andreas Greber ist von detektivischem Spürsinn
bestimmt: Sich unter die Menschenmassen mischend legte er die Videokamera in
den Sälen und Gängen direkt auf den Boden. Bis zu drei Zentimeter nahe kommen
die Füsse der Kamera, die alle Bewegungen registriert. So schafft er es, im
wortwörtlichen Sinn einen Blick von unten auf den Museumsbetrieb zu werfen –
und damit auch darauf, wie flüchtig der Blick auf die Welt im Normalfall ist.
Das stetige Eilen vor den Bildern im Louvre wird zum Verweilen vor den Bildern
in „Louvre“.

Bern, 2004

Louvre

Konrad Tobler

Foot after foot. Shoe after shoe. Leaving, arriving. Singly and in groups. Over and
over and over again, for thirteen minutes: images of feet, a garland of shoes.
„Louvre,“ the video, cannot be about parading shoes. This much soon becomes
clear. As the title implies, it is about images. The feet on which Greber focuses with
something akin to an obsessive eye – obsessive in a positive sense – are related to
looking at art and the world, to the perception of art and the world.
When he was a student in Paris, Andreas Greber photographed the feet of
thousands of visitors flocking to the Louvre daily. He turned his images into a
composition – a sonatina, perhaps, or a slow rap of steps in the museum, of the feet
that carry the eyes from one picture to the next. While Thomas Struth in his
stunning sequence of images focused on seeing paintings in museums – the
visitors here, the paintings there – Andreas Greber disregards the paintings almost
completely. At best, their presence is hinted at by the fact that feet move towards
and come to a standstill at some point in space. The paintings are also present as
the feet show that, in the museum, the focus is less on the paintings and more on
the museum as such.
Excitement at being about to see Mona Lisa face to face. Impatience. Feet
moving across gallery-floors and along endless corridors towards the worldfamous
paintings and sculptures. Dust rises and vanishes in the blue distance.
Feet again – the brevity of the gaze, the moving-on. The feet reveal how the eyes
look. According to one statistic, museum-goers spend an average of just
nineteen seconds looking at a painting.
Greber’s recording method is that of a detective: mingling with the masses, he
places his video camera on the floor in galleries and corridors. Feet approach the
camera to as little as three centimetres; every movement is recorded. Greber takes
a look at the museum literally from below – and he reveals the fleeting character of
the way we usually perceive the world.
He transforms the steady rush in front of the paintings at the Louvre into a leisurely
look at the images in „Louvre.“

Bern, 2004

© Translation from German:
Margret Powell-Joss
mpowelljoss@swissonline.ch