Taucher

1998, Installation, 1-3 fotografische Objekte, Analogfotografie, Bromsilberemulsion, Baufolien, 220 cm x 100 cm

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Taucher-Blicke

I. Wie Im Wasser schweben die Taucher und Taucherinnen im Raum.

II. Technische Angaben: Drei Menschen, gekleidet in Tauchanzüge, Taucherbrille, Taucherlampe, Flossen.
Im Studio fotografiert, das Negativ projiziert auf durchsichtige, mit einer Fotoemulsion beschichtete, billige
Baufolie. Die grossformatigen Folien, an zwei Ecken genietet, wie Fahnen im Raum aufgehängt.

III. Die sorgfältig inszenierte Fotografie verschwindet jedoch. Wenn Licht darauffällt. Wenn der Raum, der
das Abbild umgibt, sich im transparenten Bild selbst ausbreitet. Das Medium, das – wie die Fotografie seit
ihren Anfängen – Wirklichkeit sichtbar macht, wird selbst unsichtbar und nimmt eine andere, ihm fremde
Wirklichkeit auf: Das Abbild wird, in einem geradezu dialektischen Tauchgang, zum Bild zweiter Potenz.

IV. Die Foto-Folien sind wie eine Daguerrotypie: Zuerst, ist der Winkel richtig, ist sichtbar, was fotografisch
fixiert wurde. Dann verschwindet es – und ist immer noch da; wie im fotografischen Entwicklungsbad,
wenn auf dem Papier die abgebildete Wirklichkeit zwar anwesend, aber vorerst noch unsichtbar ist. Der
Prozess kehrt sich hier um. Was sichtbar ist, wird unsichtbar und spiegelt den Raum, der auf dem Bildkörper
eigentlich nicht ist. Wahrnehmungen überlagern sich. Der vergangene, nicht mehr existierende Moment
ist präsent inmitten der realen Präsenz des – wie auch immer – zufällig Anwesenden.

V. So taucht der Blick in das Bild, sieht das gespiegelte Fenster darin, sieht den skulptural schwarzen
Taucheranzug. Und bleibt haften am Blick der Menschen, die den betrachtenden Blick durch die
Taucherbrille fixieren. Das ist einer der wichtigsten Momente, eine Art Ur-Zeitpunkt, in dem erstmal ein
Blick auf den Blick eines abgebildeten Blickes fiel: als die Fotopioniere im letzten Jahrhundert ihr erstes
Porträt machten und damit die Essenz des Bildes im Real-Abbild verdichteten und in der Wiederholbarkeit
des Moments verflüssigten.

VI. Die Foto-Folien rufen, gerade weil diese fixierten Bilder von Andreas Greber sich auf der durchsichtigen
Folie im Raum verflüchtigen, nach Porträts. Wo der Blick in den Blick taucht. Wo sich das Bild des Menschen
entzieht.

VII. Dieser Punkt – er würde sich nahe am Bildverbot bewegen – ist dann erreicht, wenn das Bild da ist und
die Wahrnehmung zu tauchen beginnt: wenn die Fixierung des Auges im Entwicklungsbad des Blickes ein
Bild schafft. Und immer etwas anderes sieht.

VIII. Jedes Bild ist immer ein Bild von Bildern. In dieser Feststellung taucht der Blick wieder auf und findet
sich selbst. Er entdeckt, dass die drei gleichförmig erscheinenden Taucher und Taucherinnen mehr als eine
Identität haben.

Konrad Tobler Bern 1999